Die Zukunft der Suche: Was Versicherer jetzt tun müssen
Webseiten werden wichtiger, nicht unwichtiger
Beim letzten AMC Espresso haben wir uns über ein Thema unterhalten, das gerade die gesamte Branche umkrempelt: Zero-Click-Searches und die Zukunft der digitalen Sichtbarkeit. Mit dabei waren Fabian Kirchberger, Product Owner Webanalytics bei Allianz, und Jonas Strübig, Data Analytics Consultant von webalyse.
Zero-Click-Searches sind kein Randphänomen. Sie stehen mittlerweile im Zentrum des digitalen Suchverhaltens. Über 65 % der weltweiten Google-Suchen enden ohne Klick, und auf mobilen Geräten liegt die Zahl sogar bei über 75 %1. Das bedeutet: Nutzer erwarten Antworten direkt auf der Suchergebnisseite, ohne sich durch Websites zu kämpfen. Der Klick ist nicht mehr das Ziel! Es geht darum, dass du in den relevanten Antworten auftauchst.
In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Trends im Bereich Zero-Click-Searches und die entscheidenden Schritte, die Versicherungen ergreifen müssen, um relevant zu bleiben.
Und für jeden der Lust hat, gibt es hier noch ein kurzes Interview, in dem Sven Köhler und ich den AMC Espresso zum Thema "The Future of Search" nochmal nachbearbeitet haben.
Das veränderte Suchverhalten
Der wahre Paradigmenwechsel zeigt sich bei den jüngeren Generationen. Während früher der zentrale Impuls war, ein Keyword einzugeben und Suchergebnisse für Informationen zu durchforsten, dominiert nun die Nutzung von KI-Werkzeugen wie ChatGPT oder ähnlichen AI-Tools2. Sie stellen gezielt Fragen und erwarten eine präzise, umgehende Antwort – von der Suchmaschine hin zur Antwortmaschine3 4.
Die Trust-Frage im Versicherungskontext
Versicherungen sind etwas unglaublich Intimes – es geht um elementaren Schutz für Gesundheit, Familie und Zuhause. Das Trust-Level ist hier entscheidend.
Die Gefahr: Wenn die junge Generation täglich mit KI-Assistenten kommuniziert und diesen über längere Zeit hinweg zuverlässige Antworten bekommt, verschiebt sich das Vertrauen. Weg vom unbekannten Versicherungsvertreter, hin zum digitalen Begleiter, der ohnehin jeden Tag genutzt wird.
Die drei Säulen des modernen Suchverhaltens
Bevor wir uns den konkreten Strategien widmen, ist es wichtig, die zentralen Begriffe und ihre Unterschiede zu verstehen:
AIO (AI Overviews)
AI Overviews sind AI-generierte Zusammenfassungen, die direkt, unter anerem bei den Google-Suchergebnissen, erscheinen. Sie zielen darauf ab, eine sofortige Synthese relevanter Inhalte aus dem Web zu liefern. Im Gegensatz zu Featured Snippets, die ein oder zwei Sätze aus einer einzigen Quelle extrahieren, versuchen AI Overviews, Wissen aus mehreren Quellen zu konsolidieren. Die Daten zeigen eine eindeutige Entwicklung: AIOs erscheinen mittlerweile bei 30% aller US-Desktop-Keywords. Für Europa sind ähnliche Werte zu erwarten.
Zero-Click-Searches
Zero-Click-Searches sind Suchanfragen, bei denen Nutzer ihre Antworten direkt auf der Suchergebnisseite erhalten, ohne eine Website besuchen zu müssen. Im Jahr 2024 resultierten etwa 65% der globalen Google-Suchen nicht in einem Klick, auf mobilen Geräten lag diese Zahl sogar über 75%5.
Long-Tail Search vs. Short-Tail Search
Long-Tail Search bezieht sich auf längere, spezifischere Suchanfragen (meist 3+ Wörter), die oft weniger Suchvolumen, aber eine stärkere, klarere Intension des Users erkennen lassen und dadurch höhere Conversion-Raten aufweisen. Diese detaillierten Suchanfragen sind besonders relevant für AI Overviews: Die Daten zeigen, dass AI Overviews hauptsächlich bei Long-Tail, informationellen Suchanfragen mit geringer Schwierigkeit erscheinen - nicht bei hochvolumigen, transaktionalen Short-Tail Keywords6.
Im Gegensatz dazu sind Short-Tail Searches kurze, allgemeine Begriffe (1-2 Wörter) mit hohem Suchvolumen, die eher kommerzielle oder transaktionale Absicht haben und derzeit seltener AI Overviews auslösen.
Die Auswirkungen verstehen
Das Paradox der Zero-Click-Entwicklung bei Long-Tail Searches:
Interessant ist, dass AI Overviews generell höhere Zero-Click-Raten aufweisen. Eine detaillierte Analyse, derselben Long-Tail Keywords vor und nach der Einführung von AI Overviews zeigte: Die Zero-Click-Rate der Long-Tail Searches sank leicht (von 38,1% auf 36,2%)7. Das deutet darauf hin, dass AI Overviews bei Long-Tail Searches nicht automatisch zu weniger Klicks führen.
Long-Tail Optimierung wird entscheidend
88,1% der Suchanfragen, die eine AI Overview auslösen, sind informationell. Genau der Bereich, in dem Long-Tail Keywords dominieren. Diese Verschiebung macht die Optimierung für Long-Tail Searches wichtiger denn je, da sie den Hauptbereich darstellen, in dem AI Overviews derzeit aktiv sind.
Was Versicherer JETZT tun solltest
Hier die konkreten Maßnahmen – manche hättest du gestern schon umsetzen sollen:
1. WCAG umsetzen
Der European Accessibility Act verlangt ab 2025 die Umsetzung von WCAG 2.1 Level AA Standards8. WCAG ist essenziell und sollte spätestens jetzt umgesetzt werden. Es macht deine Website nicht nur barrierefrei, sondern auch maschinenlesbarer – ein klarer Vorteil9.
2. Strukturierte Daten sind Pflicht
Strukturierte Daten werden nicht unwichtiger – sie werden wichtiger als je zuvor. Laut Google spielen strukturierte Daten eine zentralisierte Rolle für die Sichtbarkeit in Suchmaschinen, da sie den Crawlern helfen, den Inhalt einer Website besser zu verstehen.10 11 In unseren DX-Projekten setzen wir schon seit langem auf den konsequenten Einsatz von Strukturierten und semantischem Webs.
Tipp für die Umsetzung:
Implementiere JSON-LD-Markup für FAQs, Produktbewertungen oder Artikelübersicht.
Beispiel-FAQ-Markup:
{
"@context": "https://schema.org",
"@type": "FAQPage",
"mainEntity": [
{
"@type": "Question",
"name": "Wie finde ich eine ideale Versicherung?",
"acceptedAnswer": {
"@type": "Answer",
"text": "Vergleiche verschiedene Anbieter, um ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu finden. Achte auf Bewertungen und spezifische Leistungen."
}
}
]
3. Aktualisierung von Meta-Tags
Optimiere Meta-Titel und Meta-Beschreibungen, indem Du aktuelle Keywords direkt integrierst. Eine ansprechende Beschreibung erhöht die Klickrate und hilft den Algorithmus zu verstehen, dass die Seite relevant ist.
Tipp für die Umsetzung:
Beispiel für einen optimierten Meta-Titel:
„Top Krankenversicherungen für Selbstständige | Experten-Ratgeber 2025“
Meta-Beschreibung:
„Finde die besten Krankenversicherungen für Selbstständige im Jahr 2025. Mit Bewertungen, Preis-Leistungs-Vergleich und Tipps zur Wahl deiner Versicherung.“
4. Weniger Lead-Affinität
Übermäßige CTAs können die User Experience beeinträchtigen und den Fokus vom informativen Content ablenken. Für maximale Sichtbarkeit in AI-Antworten sollte der Fokus auf faktenreichen, zitierbaren Inhalten liegen.12
5. Verbesserte Artikelstruktur
Eine klare Gliederung hilft sowohl den Lesern als auch den Suchmaschinen, die Inhalte schnell zu verstehen und zu nutzen.
Tipp für die Umsetzung:
Nutze klare Überschriften (H1, H2, H3), kurze Absätze und visuelle Elemente wie Listen oder Infografiken.
Beispiel Gliederung für einen Blogartikel:
H1: Wie finde ich die beste Versicherung?
H2: Was sind die wichtigsten Kriterien?
H3: Preis-Leistungs-Verhältnis
H3: Kundenempfehlungen
H2: Schritt-für-Schritt Anleitung zur Auswahl
H2: Fazit und hilfreiche Tipps
6. Backlinks sind zurück
Verlinkt zu werden wird wieder wichtig. Advertorials, Backlinks und vernetzte Inhalte sind wichtig, um deine Sichtbarkeit und deinen Trust-Index zu steigern.13 14
7. Trust Signals von Drittquellen pflegen
Die Pflege von Google Bewertungen ist entscheidend. Negative Bewertungen ohne Kommentar schwächen deine Marke im Trust-Index erheblich. Studien haben gezeigt, dass die Interaktion mit Bewertungen die Wahrnehmung und das Vertrauen in die Marke erheblich beeinflusst. 15 16
8. Long-Tail Keywords einbinden
Nutze Long-Tail Keywords, da diese oft eine spezifischere Suchabsicht haben und daher mehr Konversionspotenzial bieten. Optimiere Deinen Content gezielt für Long-Tail-Suchen, da diese besonders in AI Overviews erscheinen.
Tipp für die Umsetzung:
Identifiziere Fragen oder Phrasen, die Deine Zielgruppe tatsächlich sucht (z. B. „Wie finde ich die beste Krankenversicherung für Selbstständige?“).
Baue diese Keywords in Überschriften, den ersten Absatz und längere Unterüberschriften ein.
Model Context Protocol (MCP) - Die technische Revolution
Das Model Context Protocol (MCP) ist ein neuer offener Standard, der von Anthropic im November 2024 eingeführt wurde und bereits von führenden Unternehmen wie OpenAI, Microsoft und Google übernommen wird17. MCP löst ein fundamentales Problem: Bisher arbeiteten KI-Modelle isoliert und konnten nicht in Echtzeit auf externe Datenquellen oder Unternehmenssysteme zugreifen18.
Was macht MCP so revolutionär?
Statt für jede Datenquelle separate Verbindungen zu programmieren, schafft MCP eine einheitliche "Sprache", die alle KI-Systeme sprechen können. Das Protokoll ermöglicht es KI-Agenten, sicher auf Datenbanken, APIs, Dateisysteme und andere externe Ressourcen zuzugreifen - und zwar in Echtzeit.
Die Architektur im Überblick:
MCP Client: Verwaltet die Verbindungen und übersetzt zwischen verschiedenen Systemen
MCP Server: Stellt spezifische Funktionen und Datenquellen bereit
Einheitliche Kommunikation: Nutzt standardisierte JSON-RPC 2.0-Nachrichten für sichere Datenübertragung
Konkrete Anwendungsbeispiele:
Unternehmen können jetzt KI-Agenten einsetzen, die automatisch Tickets in Incident-Response-Plattformen aktualisieren, Live-Daten aus SIEM-Systemen abfragen oder mit Customer-Relationship-Management-Systemen interagieren - alles über eine einzige, standardisierte Schnittstelle.
Die Verbindung zu Digital Experience:
Bei eggs unimedia beobachten wir in unseren DX-Projekten bereits heute, wie MCP die Integration zwischen Adobe Experience Cloud-Lösungen und KI-gestützten Systemen vereinfacht. Besonders bei der Optimierung von Customer Journeys ermöglicht MCP eine nahtlose Verbindung zwischen Analysedaten, Content-Management-Systemen und automatisierten Personalisierungstools - ohne die bisher notwendigen komplexen Einzelintegrationen für jeden Datenkanal.
Parallel hat MCP bei eggs wie die Entwicklungsarbeit revolutioniert: Tools wie Amazon Developer Q19 können durch MCP-Integration direkt auf projektspezifische Kontexte zugreifen so maßgeschneiderten Code für Adobe Experience Manager erzeugen. Statt isolierter Code-Vorschläge entstehen so Entwicklungslösungen, die den gesamten technischen Stack und die spezifischen DX-Anforderungen berücksichtigen.
Besonders spannend wird es in der Content Supply Chain: MCP ermöglicht es, dass KI-Agenten automatisch zwischen Content-Erstellung, Asset-Management, Übersetzungs-Services und Publikationssystemen orchestrieren. Ein konkretes Beispiel aus unserer Praxis bei eggs unimedia: Wir haben einen MCP-gestützten Workflow entwickelt, bei dem ein KI-Agent ein eingehendes Kampagnen-Briefing automatisch analysiert und schrittweise optimiert. Der Agent prüft das Briefing gegen unsere definierten Brand-Standards, Compliance-Richtlinien und Adobe Experience Cloud-Anforderungen. Entspricht das Briefing noch nicht den Standards, iteriert der Agent eigenständig - er ergänzt fehlende Informationen, schlägt Verbesserungen vor und verfeinert die Vorgaben so lange, bis alle Kriterien erfüllt sind. Erst dann wird das optimierte Briefing zur finalen Freigabe an das Kreativ-Team weitergeleitet. Dieser Prozess läuft vollständig über standardisierte MCP-Schnittstellen zwischen unserem Projektmanagement-System, den Adobe-Tools und unseren internen Qualitätsstandards.
Diese Lösung zeigt, wie MCP nicht nur einzelne Tools verbindet, sondern ganze Qualitätssicherungsprozesse automatisiert - von der ersten Briefing-Eingabe bis zur standardkonformen Ausgabe.
Die Zukunft gehört nicht isolierten KI-Tools, sondern intelligenten, vernetzten Systemen, die in Echtzeit mit der gesamten digitalen Infrastrukturen eines Unternehmens kommunizieren können. Von der Entwicklung bis zur Content-Auslieferung wird MCP zum unsichtbaren Nervensystem, das alle Systeme miteinander verbindet.
Fazit: Content Management wird wichtiger, nicht unwichtiger
Es ist viel im Umbruch. Technisch strukturierte Websites und intelligentes Content Management werden wichtiger als je zuvor. Du musst deinen Content so managen, dass der richtige Content zur richtigen Zeit gefunden wird. Das Ziel ist nicht mehr nur, dass jemand klickt, sondern dass du in den Antworten des Agenten auftauchst.
Kurz gesagt: es gibt eine Verschiebung von "gefunden werden" zu "zitiert werden".
Christoph Behounek, November 2025